Holzboden
Für die Zukunft
OFROOM hat sich über viele Jahre seit Gründung nie in den Dschungel der Material-Zertifikate führen lassen. Bis zu jenem Tag, an dem Albin Kälin, Gründer und Geschäftsführer der EPEA anlässlich der Showroom Eröffnung bei BAUWERK Parkett in Salzburg anhand des Silente Parketts die Anforderungen für das Erlangen eines Cradle2Cradle® Gold Zertifikats erläuterte. C2C Gold und Platin führen uns zu einer giftfreien, kreislauffähigen Produktwelt mit Schutz der Gewässer und reduzierter CO2 Emissionen. Zertifikate mit so hohem Anspruch helfen uns, eine Materialethik neu zu verhandeln, Ansprüche einzufordern, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, Industrie und Kunden in die Verantwortung zu nehmen, denn
We have not inherited this earth from our forefathers; we have borrowed it from our children.
Was Greta Thunberg wütdend macht
Im YouTube Kanal von Bauwerk Parkett finden wir u.a. zwei Videos zum Ausbau ihres Parketts. Beide zeigen Tutorials zum maschinellen Abbruch eines Bodens. Das Erste ist untertitelt mit „Rücken schonend, einfach und sauber“. Rücken meint hier jenen des Arbeiters, nicht des Produktes. Die Rückseite des Parketts könnte dagegen beim zweiten Video gemeint sein, in dem der Ausbau des kreislauffähigen Silente Bodens vorgestellt wird. Ein Jahr liegt zwischen den beiden Vorführungen. Und Welten.
Wir sehen in dem Kurzfilm, was Greta Thunberg wütend macht; was spätestens mit dem ersten Welterschöpfungstag am 29. Dezember 1970 öffentlich bekannt gemacht wurde: dass das lineare Produktions- und Verbraucherprinzip unweigerlich zur Erschöpfung der Ressourcen des Planeten führen. Take. Make. Waste. Halten wir kurz inne – was haben wir und unsere Eltern in diesen letzten 50 Jahren alles weggeworfen? Schuhe, Verpackung, Sportgeräte, Elektrogeräte, Möbel, Teppiche, Autos …
Von Cradle-to-Grave zu Cradle-to-Cradle
Bauwerk verkauft jährlich etwa 4 Mio m2 Parkett. Das Unternehmen ist Cradle2Cradle® zertifiziert und aus Tradition der Natur verpflichtet. Die verwendeten Hölzer stammen aus kontrollierten Wäldern, Großteils aus dem Forst Repaš, der sogar Teil des UNESCO Biosphärenparks Mur-Drau-Donau ist. Bauwerk Parkett zählt zu den Guten. Aber auch im Jahr 2021 sind es erst zwei Artikel im Portfolio des Qualitätsherstellers, die kreislauffähig produziert werden. Und im Verkauf schlägt sich diese Produktgruppe mit weniger als 1% nieder. Dabei sollten die zwei Videos im Vergleich doch jeder Bauherrschaft und jeder ArchitektIn die Augen öffnen:
Towards a toxic free environment
Silente wurde bereits 2010 mit Cradle2Cradle® GOLD zertifiziert. Das Gold ist wichtig. Es garantiert die Kreislauffähigkeit und die vollständige Kontrolle der Material Health Kriterien, sowie den Ausschluss aller gesundheitsschädlichen Stoffe. Giftige Substanzen sind allgemein je nach Produktgattung bis zu einem bestimmten Anteil gesetzlich erlaubt. Die Liste der erlaubten Grenzwerte ist relativ agil und salopp gesagt mehr in politisch-wirtschaftlicher Balance als im Sinne der menschlichen Gesundheit. Während beim C2C Silber Zertifikat 95% der verwendeten Substanzen geprüft sein müssen, es also doch noch ein ziemlich großes silbernes Schlupfloch gibt, ist die Prüfquote bei Gold 100%. Krebserregende und gesundheitsschädliche Stoffe werden gänzlich eliminiert. Das ist, was wir wollen, was auch die EU bereits anpeilt: a toxic-free environment. Erst mit Gold beginnt die wirkliche Vision eines endlos geschlossenen und sauberen Materialkreislaufs. Diese Vorstellung muss auch die Baubranche inhalieren. Gebäude, die weder Mensch noch Umwelt belasten und am Ende zerlegt und entweder einem biologischen oder technischen Kreislauf zugeführt werden.
Die totale Qualität
Im Gespräch mit Christian Steiner, dem TQM bei Bauwerk Parkett, erfährt die Thematik ein breites Auflager. TQM? Total Quality Management. Der Klimawandel treibt das Unternehmen in eine Runderneuerung, sowohl die Produkte, wie auch das Geschäftsmodell betreffend. Er erzählt von auftretenden Verfärbungen im Holz aufgrund klimabedingter milderer Winter. Ich kann ihm nicht folgen. Wir waren beim Thema Kreislaufwirtschaft!? Die Eichen – das beim Kunden bevorzugte Holz, 90% aller Bauwerk Böden verlassen mit Eichen-Decklage das Werk – gehen im Winter normalerweise in die Saftruhe. Eine Art pflanzlicher Winterschlaf. Das ist der Zeitraum zu Fällen. In den letzten Jahren waren die Winter in Kroatien jedoch zu warm, die Bäume kamen nicht zur Ruhe. Der Saftstand verursacht flammenartige Einfärbungen im äußeren Stammbereich bis zu einer Höhe von etwa einem Meter ab der Schnittfläche. Das hört sich nicht sehr dramatisch an, doch bei einer astfreien Schaftlänge von vielleicht 11 m aus einem hundertjährigen Baum ist jeder Zentimeter wertvoll.
Sparsamkeit im Umgang mit der Ressource Holz ist bei Bauwerk Parkett eine Firmenphilosophie.
Alle Prozesse, vom Schnitt bis zur fertigen Decklage sind darauf ausgerichtet, einen Baum maximal zu wertschöpfen. Ein dem Klimawandel zu schuldender Verlust kann innerhalb der bestehenden Forstwirtschaft nicht ausgeglichen werden. Bäume brauchen Platz und Zeit. Ressourcenverlust auf der einen Seite, wachsender Bedarf auf der anderen Seite führen zum Schluss, dass eine ausreichende Ressourcenbeschaffung, die gleichzusetzen ist mit einer Unternehmenssicherung, in Zukunft ohne elementare Veränderung nicht gewährleistet werden kann.
Klimawandel ist eine Bedrohung. Für Greta Thunberg systemisch. Für Barak Obama im Sinne der Nationalen Sicherheit (Thema Klimaflüchtlinge). Für die Industrie in der Ressourcenbeschaffung.
Cradle2Cradle® als Steigbügel in die Zukunft
Mit der Cradle2Cradle® Zertifizierung bei Bauwerk wurde vor 10 Jahren eine bewusste Investition in Richtung Zukunftssicherung getätigt. Zielstrebig wurde die Umgestaltung bzw. Neuentwicklung zumindest eines exemplarischen Produktes mit C2C Gold Zertifizierung in Angriff genommen. Lacke, Öle, Leime wurden hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe gescreent und mussten von den Industriepartnern teils neu definiert werden. 36 Zulieferer wurden allein für dieses eine Produkt unter die Lupe genommen. Die EPEA Switzerland agiert in diesem Prozess als akkreditiertes Kontrollorgan und Wissens- und Innovationstreuhänder, eine Schleuse, in der KnowHow offen gelegt und gleichzeitig gesichert ist. Neben der Umgestaltung der einzelnen Komponenten entsprechend der Material Health Kriterien bestand die eigentliche Herausforderung darin, an den Vorteilen einer vollflächigen Verklebung des Parketts festzuhalten, diese aber so zu gestalten, dass der Parkett unbeschadet für weitere Gebrauchszyklen aufbereitet werden kann und als Ressource und Produkt erhalten bleibt. Bei Cradle2Cradle® wird der klassische End-of-life-Zustand als eigentlicher Anfang betrachtet. Waste to Value. Was kann im Kreislauf bleiben? Was wird der biologischen oder technischen Verwertung zugeführt?
So weit, so gut.
10 Jahre ist eine gute Zeit für ein Produkt, sich zu etablieren. Für eine Innovation, wie es der Silente Parkett darstellt, würde man sich wünschen, dass in einem Jahrzehnt, in dem der Klimawandel bereits wie eine Plage mit Waldbränden, Hitzetoten, Überschwemmungen, Gletscherschmelze, Urbanen Hitzespitzen, Dürren und Ernteausfällen aber auch mit Fridays4Future Märschen, Klimagipfel und Großveranstaltungen die Medien füllen, nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern für die gesamte Branche einen Innovationsprozess ausgelöst hätte. Die Akzeptanz wäre da, meint Christian Steiner, die Verkaufszahlen spiegeln die stärker werdende Haltung jedoch noch nicht. Das Produkt sei dem Markt vor einem Jahrzehnt zu weit voraus gewesen, die Zeit wäre noch nicht reif gewesen und das Marketing habe mit dem Namen Silente ein falsches Pferd ins Rennen geschickt. Natürlich assoziiert der Kunde das Produkt mit einem besonders leisen, schallabsorbierenden Boden, was er auch ist, aber gemessen am Wert der Kreislauffähigkeit und Schadstofffreiheit nur ein glückliches add-on sein sollte. Tatsächlich verkauft sich die speziell entwickelte Silente Matte separat als Unterlage für (Cradle-to-Waste) Bauwerk Parketten sehr gut!
Den Kreis wirklich schließen
Bauwerk Parkett ist mit den beiden Gold-zertifizierten Produkten dem Markt voraus. Und doch fehlt da noch so viel, dass wir behaupten könnten, kommende Generationen werden keine Sick-Buildings mehr kennen, werden den Kreislauf verinnerlicht haben, ... Für die Baubranche ist es ein großes Manko ist, dass Cradle2Cradle® keine Gebäudezertifizierungen anbietet. In gängigen Zertifikate beim DNGB oder ÖGNI, mit Leed oder Klima Aktiv sind Produkte in C2C Silber und Bronze durchwegs ausreichend, um für ein klug konzipiertes Gebäude Bestnoten abzuholen. Da müsste der Anspruch weiter nach oben geschraubt werden und eine Kreislauffähigkeit auch erst mal für ein Gebäude richtig definiert werden. Darüber hinaus jedoch, ist auch der Einbau von Cradle2Cralde® Produkten noch keine Leistung, die zwingend den Kreislauf schleißt. Erst in der nächsten Auflage des Cradle2Cradle® Zertifikats werden Rückholung und Kundenverantwortung stärker eingefordert. Bauwerk arbeitet hier an neuen Geschäftsmodellen. Es soll ein Anreiz geschaffen werden, um letztlich auf die „geborgten zukünftigen Ressourcen“ auch tatsächlich zugreifen zu können und den Kreis zu schließen. Ein Vorstoß in diese Richtung kommt von Lamia Messari-Becker, die einen Ressourcenausweis für Gebäude entwickelt hat und neben den gängigen Energieausweis stellt. Damit ist auch ein Wettlauf im Rennen um zukünftige Ressourcen begonnen. Wem gehören sie? Dem Hersteller, der sie auffrischen und erneuern kann oder der Bauherrschaft, die bei cleverer, kreislauffähiger Bauweise evt. aus einer Immobilie in 50 Jahren mehr Materialwert entnehmen kann, als die Investitionen betrugen, oder uns allen, die neu zu erlernen haben, wie wir mit diesem Planten, seinen Ressourcen und Artenvielfalt, seiner Schönheit zufrieden leben können.
Text: OFROOM